In vielen Ländern ist sie bereits Realität, in Deutschland wird noch darüber diskutiert: die Einführung einer Steuer auf zuckerhaltige Lebensmittel.
Angesichts der steigenden Zahlen an Fettleibigkeit, Diabetes und Karies ist es an der Zeit, über eine solche Maßnahme nachzudenken. Ein hoher Zuckerkonsum kann krank machen. Eine Zuckersteuer könnte nicht nur helfen, den Konsum einzudämmen, sondern auch erhebliche gesundheitliche und finanzielle Vorteile mit sich bringen, wie Prof. Dr. Harald Jatzke, Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof, erläutert. Diese Erkenntnisse basieren auf den Erfahrungen aus anderen Ländern.
Ein Blick in die Geschichte der Zuckersteuer in Deutschland
Die Geschichte der Zuckersteuer in Deutschland reicht bis ins Jahr 1841 zurück, als erstmals eine Steuer auf Rübenzucker erhoben wurde. Diese Steuer wurde im Laufe der Jahre mehrfach angepasst, bis sie 1993 schließlich abgeschafft wurde. Die Gründe dafür waren vielfältig: die Harmonisierung der Verbrauchsteuern innerhalb der EU, die Befürchtung von Wettbewerbsverzerrungen und das geringe Aufkommen der Steuer.
Die Zuckersteuer wurde damals hauptsächlich als Fiskalsteuer betrachtet, nicht als Instrument zur Konsumlenkung bzw. als gesundheitspolitisches Instrument, was nun im Vordergrund stünde.
Empfehlung der WHO
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine Steuer von mindestens 20 Prozent auf zuckerhaltige Getränke, um gesundheitliche Probleme zu verringern. Deutschland setzt derzeit auf die Selbstverpflichtung der Getränkeindustrie, doch Studien zeigen, dass eine Zuckersteuer effektiver wäre, um Krankheiten wie Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu bekämpfen. Experten sind sich einig, dass eine Zuckersteuer auch in Deutschland erhebliche gesundheitliche Vorteile bringen könnte.
Finanzielle Einsparungen und gesundheitliche Vorteile
Die positiven Auswirkungen einer Zuckersteuer sind nicht nur theoretisch: Eine Besteuerung wie in Großbritannien könnte auch in Deutschland dazu führen, dass der Zuckergehalt in Lebensmitteln drastisch reduziert wird.
Eine Studie der Technischen Universität München und der britischen Universität Liverpool zeigt, dass eine Zuckersteuer Deutschland in den nächsten 20 Jahren bis zu 16 Milliarden Euro an Gesundheitskosten einsparen könnte. Laut den Forschern könnten mit einer Zuckersteuer rund 240.000 Fälle von Typ-2-Diabetes verhindert und etwa 16 Milliarden Euro an gesellschaftlichen Kosten eingesparen. Diese Einsparungen ergeben sich nicht nur aus geringeren Versorgungskosten, sondern auch aus weniger Krankheitsfehltagen und einer insgesamt gesünderen Bevölkerung. Diese Einsparungen sind ein entscheidender Anreiz für die Einführung einer Zuckersteuer.
Internationale Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Ausland zur Zuckersteuer
Deutschland kann von den Erfahrungen anderer Länder mit Zuckersteuern profitieren. In sechs EU-Staaten wurden bereits Modelle eingeführt, darunter Dänemark, das seit vielen Jahren eine Steuer auf Schokoladenprodukte, Getränke und Speiseeis erhebt. Finnland folgte 2011 mit einer Steuer auf Zucker in Süßwaren und Getränken. Frankreich erhebt seit 2012 eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke, während Ungarn seit 2011 eine Steuer auf Süßwaren und Softdrinks sowie Marmeladen hat. Das Vereinigte Königreich führte 2018 eine Abgabe auf zuckerhaltige Getränke ein, und Irland hat 2024 nachgezogen. Diese Länder haben die Zuckersteuer als spezifische Verbrauchsteuer gestaltet, die gezielt auf bestimmte Lebensmittel und Getränke mit hohem Zuckergehalt abzielt, was einen klaren Trend zu gesundheitspolitisch motivierten Steuern in Europa zeigt. Und auch außerhalb der EU gibt es die Zuckersteuer. Mexiko besteuert seit 2014 Süßgetränke mit einem Peso pro Liter.
Dänemark hat zwar eine Zuckersteuer eingeführt, jedoch zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), dass die Wirksamkeit einer solchen Steuer stark von der Selbstkontrolle der Konsumenten abhängt. Bei einer Erhöhung der Steuer im Jahr 2012 reduzierten Personen mit geringer Selbstkontrolle ihren Konsum nur minimal, während Personen mit hoher Selbstkontrolle deutlich weniger Süßgetränke tranken. Nach der Abschaffung der Steuer 2014 stieg der Konsum beider Gruppen wieder an.
Renke Schmacker, Studienautor am DIW Berlin, betont, dass eine pauschale Steuer auf zuckerhaltige Getränke kein Allheilmittel ist. Insbesondere Personen mit geringer Selbstkontrolle reagieren möglicherweise nicht auf höhere Preise. Die Studie legt nahe, dass die Ausgestaltung der Steuer entscheidend ist. Im Vergleich zu Dänemark könnte das Vereinigte Königreich als Vorbild dienen. Dort wurde 2018 eine gestaffelte Steuer auf zuckerhaltige Getränke eingeführt, die Anreize für Hersteller schafft, den Zuckergehalt ihrer Produkte zu senken. Diese Maßnahme hat dazu geführt, dass viele Produzenten den Zuckergehalt reduziert haben, ohne die Preise signifikant zu erhöhen.
Experten befürworten die Einführung einer Zuckersteuer
Auch zahlreiche Wissenschaftler sehen in einer Zuckersteuer für Deutschland eine sinnvolle Maßnahme. So äußerte sich der Gesundheitsökonom Michael Stolpe vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel gegenüber dem Science Media Center und erklärte: "Die Einführung einer Zuckersteuer ist effektiv und sollte von der deutschen Politik in Betracht gezogen werden."
Sarah Forberger vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen fügte hinzu: "Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung könnte eine Besteuerung ein wichtiges Element im Kampf gegen Übergewicht sein."
Der Bürgerrat schlägt zudem vor: "Wir empfehlen eine Neuklassifizierung des Grundnahrungsmittels Zucker. Unabhängig von der Herkunft oder Herstellungsart sollte Zucker nicht mehr als Grundnahrungsmittel betrachtet werden, was eine Anpassung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent zur Folge hätte."
Darüber hinaus wird die Zuckersteuer als notwendig erachtet, da ein erheblicher Teil des Zuckerkonsums in Deutschland über gesüßte Getränke erfolgt. Diese sind besonders ungesund, da sie weder Fette noch Eiweiße enthalten, was laut Diabetologe Matthias Laudes von der Universitätsklinik Schleswig-Holstein in Kiel bedeutet, dass der Zucker vom Darm schnell aufgenommen wird, was zu einer raschen Erhöhung des Blutzuckerspiegels führt.
Ein weiteres Argument für die Zuckersteuer ist die geringe Umsetzung der freiwilligen Selbstverpflichtung der Hersteller zur Reduktion des Zuckergehalts. Bisher ist der Zuckergehalt in süßen Getränken lediglich um zwei Prozent gesenkt worden. In anderen Ländern hingegen hat die Einführung einer Zuckersteuer dazu geführt, dass Hersteller den Zuckergehalt erheblich reduziert haben. In Großbritannien beispielsweise sank der Zuckergehalt in süßen Getränken bis 2021 im Durchschnitt um 29 Prozent.
Eine Studie aus München hat drei Szenarien für Deutschland modelliert: eine pauschale 20-prozentige Steuer auf Süßgetränke, sowie eine gestaffelte Steuer für Hersteller. Die Ergebnisse zeigen, dass die alleinige Besteuerung der Süßgetränke nur einen geringen Einfluss auf den Zuckerkonsum hätte, während die Besteuerung der Hersteller eine deutlich größere Wirkung entfalten könnte, indem sie den täglichen Zuckerkonsum um 2,3 Gramm senkt und über 244.000 Fälle von Typ-2-Diabetes verhindert.
Trotz dieser positiven Effekte betonen einige Wissenschaftler, dass die Studie nur eine bestimmte Altersgruppe berücksichtigt und daher die tatsächlichen Auswirkungen einer Zuckersteuer möglicherweise unterschätzt. Sie sehen die Zuckersteuer nicht als alleinige Lösung im Kampf gegen Übergewicht und zuckerbedingte Krankheiten, sondern als Teil eines umfassenderen Ansatzes, wobei die Erfahrungen aus Großbritannien als richtungsweisend gelten.
Die Debatte über die Zuckersteuer
Die Diskussion über die Zuckersteuer ist jedoch nicht unumstritten. Kritiker argumentieren, dass eine solche Steuer in die persönliche Freiheit eingreift und dass Eigenverantwortung und Aufklärung gefördert werden sollten. Zudem gibt es Bedenken, dass eine Zuckersteuer negative wirtschaftliche Auswirkungen auf die Süßwarenindustrie haben könnte, einschließlich potenzieller Arbeitsplatzverluste. Auch die soziale Gerechtigkeit wird angesprochen: Eine Zuckersteuer könnte einkommensschwächere Haushalte überproportional belasten.
Weiterhin argumentiert Professor für Lebensmittelchemie Thomas Henle, dass in Großbritannien die Konsument:innen von gesüßten Getränken auf Fruchtsäfte oder Fruchtsaftgetränke umstiegen, die ähnlich hohe Zuckergehalte aufweisen.
Meinung der Bundesregierung zur Zuckersteuer in Deutschland
Neun Bundesländer in Deutschland unterstützen die Einführung einer Zuckersteuer, während innerhalb der Bundesregierung unterschiedliche Meinungen bestehen. Ernährungsminister Cem Özdemir spricht sich für die Maßnahme aus, während die FDP skeptisch ist. Kritiker befürchten, dass eine Zuckersteuer die persönliche Freiheit einschränkt und einkommensschwächere Haushalte überproportional belasten könnte.
Insgesamt zeigt die Debatte, dass eine Zuckersteuer als Teil einer umfassenden Strategie zur Förderung der Gesundheit und zur Reduzierung des Zuckerkonsums in der Bevölkerung betrachtet werden sollte. Es bleibt abzuwarten, ob Deutschland diesen Schritt wagt.
Fazit: Ein Schritt in die richtige Richtung
Ob es in einem Land eine Zuckersteuer braucht oder nicht, muss politisch entschieden werden. Es besteht jedoch zudem die Hoffnung (wenn auch sehr gering), dass bereits die gesellschaftliche Diskussion über eine mögliche Steuer einen Effekt entfalten und die Lebensmittelhersteller zu weniger zuckerhaltigen Rezepturen motivieren kann.
Die Einführung einer Zuckersteuer in Deutschland könnte ein entscheidender Schritt zur Bekämpfung von Übergewicht und zuckerbedingten Krankheiten sein. Die Erfahrungen aus anderen Ländern sowie die positiven Ergebnisse aktueller Studien belegen die Notwendigkeit und Wirksamkeit einer solchen Maßnahme, wenn auch nicht zweifelsfrei. Ein solcher Schritt könnte nicht nur die Gesundheit der Bevölkerung verbessern, sondern auch erhebliche finanzielle Einsparungen im Gesundheitssystem ermöglichen.
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